Donnerstag, 22. Dezember 2016

Donnerstag, 11.08.2016: Industrielles Nižnij Novgorod. Avtozavod und Sozgorod

Экскурсия „Промышленный Нижний“ – Автозавода и соцгород

Roy Denz und Bastian Wyss

Geschichte Автозавод

Im Jahre 1929 wurde beschlossen Nischni Nowgorod zu einem wichtigen Standort für die damals in der Sowjetunion noch wenig entwickelte Automobil-Industrie zu machen. Innert kürzester Zeit wurden die Produktionsanlagen südwestlich der Stadt am sumpfigen Ufer der Oka gebaut. Anfangs waren die Siedlungen für die Arbeiter äusserst prekär oder sie mussten zwischen ihrem Arbeitsort und Nischni Nowgorod pendeln. Die sowjetische Regierung setze grosse Mittel ein. Sowjetische Ingenieure wurden zur Weiterbildung ins Ausland geschickt, ausländische Konstrukteure wurden eingeladen und es wurde mit dem amerikanischen Automobilhersteller Ford zusammengearbeitet. Die ersten Modelle waren Kopien von Ford-Lastwagen.
Während des Zweiten Weltkriegs wurde die Produktion auf Rüstungsgüter umgestellt. Die Automobile wurden den Anforderungen angepasst, beispielsweise wurden einige Lastwagen aufgrund von Treibstoffmangel auf den Betrieb mit Holz umgestellt. Zusätzlich wurden Panzer sowie Geschosse und Munition produziert. Das Industriezentrum wurde dadurch Opfer von zahlreichen Bombardierungen.
Personenwagen wurden anfangs nur in experimentellen Kleinserien gefertigt. Erst im Laufe der 1950er-Jahre waren Privatautos zulässig, wenn auch noch unerschwinglich. Privatwagen wurden beispielsweise als Belohnung an Stossarbeiter vergeben.
Firmenlogo
Zu Beginn der 1990er-Jahre wurden die Werke privatisiert und sind heute im Besitz von Oleg Deripaska. Mitte der 1990er-Jahre begann die Produktion des Kleintransporters GAZelle (Газель). Dieses Erfolgsmodell ist auch heute weit verbreitet.

Museum

Im oberen Stockwerk des Museums befindet sich eine Ausstellung zur Geschichte des Industriestandorts, den Arbeitern und der Stadt. Belohnungen für aussergewöhnliche Arbeiterinnen und Arbeiter, ein Bild mit einem toten Kamel, aber auch Feuerschutzutensilien, welche besonders während dem Zweiten Weltkrieg benutzt wurden, sind Teil dieses historischen Überblicks. 
In der unteren Etage befindet sich die Autoausstellung; von den ersten Lastwagen nach dem Vorbild von Ford, über Modelle von Personenwagen, vornehmen Wagen (Волга) für die Parteinomenklatura bis zu Luxus-Modellen (Чайка) für Spitzen-Funktionäre und Cabriolet-Versionen für Paraden und repräsentative Aufgaben. Die alten Modelle sind robust, schwer, ohne Kunststoff und mit viel Metall gefertigt. Ausserdem findet sich ein hart erprobtes Testfahrzeug des erfolgreichen Transporters GAZelle. Besondere Exponate stellen experimentelle Luftkissenautos dar oder ein nicht fertiggestellter alter Panzer, der vor wenigen Jahren bei Aufräumarbeiten gefunden wurde.

Соцгород

Die sozialistische Stadt, ähnlich der Uralmasch in Jekaterinburg, wurde von Anfang der 1930er-Jahre zügig bis zum Kriegsbeginn für 200'000 Einwohner gebaut. Das Konzept lag in der räumlichen Trennung von Wohnen, Leben und Arbeiten. Der neue, sozialistische Mensch sollte eine neue Behausung erhalten. Der Alltag sollte von allem befreit werden, was nicht Arbeit oder Erholung ist. So wurden Mensen, Gemeinschaftswaschsäle und weitere Einrichtungen im Sinne der Kommune geschaffen. Die Umsetzung dieses Konzepts gelang jedoch nicht vollständig, die Bewohner brachten beispielsweise kleine Kocher in die Schlafräume und untergruben das geplante System. Schulen wurden wohnungsnah gebaut, um den einfachen und ungefährlichen Zugang zu ermöglichen. In der spätsozialistischen Zeit gab es ein gutes Kulturangebot und die Arbeiter wurden ermuntert, an den gemeinsamen Aktivitäten (Konzerte, Schaustellungen etc.) teilzunehmen. Die Stadt selber litt, wie die Fabrik, unter Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg und die Fliegerabwehr war lange Zeit nicht ausreichend effektiv.

Gebäude
Anfang der 1930er-Jahre wird das Hotel „Волна“ eröffnet. Seine Architektur orientiert sich am Konstruktivismus und steht für einfache Formen. Es war als Unterkunft für ausländischer Ingenieure geplant. Abends hatte untypischerweise ein Restaurant mit einem Jazz-Orchester geöffnet.

Das Awtosawodskij Kaufhaus wurde 1934 im Stil des Konstruktivismus erbaut. Es ist ein regionales Architekturdenkmal.

Radiushaus
Das Radius-Haus ist ein föderatives Architekturdenkmal aus den späten 1930er-Jahren im Stil des Konstruktivismus. Die Wohnungen dieses Hauses standen nur den besten Arbeitern, Schulleitern und Direktoren zu Verfügung. In diesem Gebäude befand sich allerdings auch das örtliche Büro des Geheimdienstes, was nicht für die beste Atmosphäre sorgte. Während des Zweiten Weltkriegs befanden sich auf dem Dach auch Geschütze der Fliegerabwehr, die erst in den 1970er-Jahren wieder entfernt wurden.
Das Gebäude ist heute in einem schlechten Zustand, dennoch sind die Wohnungen sehr beliebt, nicht zuletzt wegen der grünen Umgebung.

Коробка/Коробочка (Schachtel/Dose) ist die Bezeichnung für die erste Wohnhäuser-Bebauung der 1930er-Jahre. Es sind 60 einfache Rechtecke. Die Häuser waren mit Passerellen verbunden; das Konzept bestand darin, dass die Häuser nie verlassen werden müssen, denn Läden usw. waren in der Planung darin integriert.




Busygin-Haus

Das Busygin-Haus ist nach dem Schmied und Stossarbeiter Бусыгин (Busygin) benannt, dank dessen ausserordentlichen Arbeitsleistung die Stadt angeblich die Mittel hatte, das Haus zu bauen. Die Leistung Busygins führte zu einer Erhöhung der Arbeitsnorm, weshalb viele Arbeiter ihn nicht mochten.



 



Schlusswort
Es war ein ereignisreicher Spaziergang. Nebst einem verlorenen Mitstudenten, welcher aus hotdogtechnischen Gründen die Gruppe verlor, kamen wir auch direkt mit der Bevölkerung in Kontakt. Ein älterer Herr fragte uns, ob wir Stalin kennen würden und erzählte uns etwas über die ersten Wohnhäuser. Auch wurden wir gefragt, ob wir Unterschriften sammeln würden, etwas das anscheinend zur Tagesordnung gehört.

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